Hilary McKay. Vier verrückte Schwestern
Vier verrückte Schwestern
von Hilary McKay
Dieses Buch kam nicht rein zufällig in unseren Besitz. Jemand dachte, es würde zu uns passen. Kein Kommentar.
Ich denke an wenige Romanfiguren regelmäßig mit solcher Zärtlichkeit zurück, wie an Ruth, Naomi, Rachel und Phoebe. Wenn ich zum Beispiel beim Metzger mit einer Mischung aus Ekel und Faszination die Auslagen betrachte, weiß ich, dass Rachel dem mies gelaunten Verkäufer spielend ein Lächeln (und ein paar Wiener) entlocken könnte, wenn sie ihm mit strahlendem Gesicht verkündete: „Ich mag alles, auch Zebras“. Aber von vorne.
Die vier Conroy-Mädchen wohnen mit ihren Eltern in einer kleinen Stadt in Nordengland. Wir hatten manchmal Schwierigkeiten, uns die Zeit vorzustellen, in der sie leben, denn explizit wird es nicht erklärt. Zu dieser Zeit gibt es: Fernseher (auch, wenn Familie Conroy keinen hat, die Eltern sind streng), Autos, Schulbusse und Patenschaften für Kinder in Afrika. Es gibt nicht: Handys und Computer (werden zu keinem Zeitpunkt erwähnt). Deshalb tippen wir auf die frühen 90er.
Das Haus beherbergt keine Haustiere, die Mädchen teilen sich zwei Zimmer und die Regale sind unter Garantie alle selbst gezimmert. Es gibt einen kleinen Garten, in dem Gemüse angebaut wird; Man geht auf die öffentliche Schule, hat seine Hausaufgaben klaglos zu machen und gute Zeugnisse abzuliefern. Sparsamkeit ist oberstes Gebot. In diesem Haus wachsen die Mädchen also auf.
Vielleicht ist es verständlich, dass die vier sich in dieser biederen, langweiligen Welt auf jeden Lesestoff stürzen, den sie in die Finger bekommen können; Lesen ist ihr Lebenselixier.
Da gefällt es ihnen natürlich nicht, dass sie die ganzen Sommerferien bei ihrer Oma („Oma die Große“) in Cumbria verbringen sollen. Erstens ist sie die Sorte Großmutter, die ihre Enkel für überaus verwöhnt und selbstsüchtig hält und sie entsprechend behandelt, und zweitens hat sie KEINE BÜCHER in ihrem Haus. Jawohl, kein Witz, sie hat keine Bücher.
Der erste Band ist eine Sommergeschichte, ohne dass man es richtig mitkriegt. Die Rede ist nicht von flirrender Hitze, Eis und unbeschwerten Tagen. In Cumbria wechseln die Farben zwischen dem satten Grün der Wiesen, dem schmutzigen Weiß der Schafe und dem trüben Blau des Meeres. Es regnet und stürmt gefühlt sehr viel, das passt zur teilweise melancholischen Stimmung des Buches.
Oma die Große hat bereits vor der Ankunft der Schwestern im Dorf verbreitet, dass diese durch das viele Lesen nicht ganz richtig im Kopf seien. Wütend versuchen die Schwestern nun, diesem Vorwurf zumindest nicht vollkommen zu entsprechen. Nicht gerade hilfreich erweist sich hierbei Graham, den Oma die Große (zur großen Empörung der Schwestern) als Babysitter für sie bezahlt.
Ruth, die Älteste und beinahe Unvernünftigste und Naomi, rational, stolz und verletzlich, haben nun also einen Sommer lang die Verantwortung für Rachel, glückliche, naive, verfressene Rachel ("Das Mädchen mit den drei klugen Schwestern"), und Phoebe, mit sechs Jahren schon internationale Spionin und ziemlich geldgierig. Es werden Knochen gesammelt, Höhenängste besiegt und Küchengeräte vergraben, das Ganze nimmt Fahrt auf und kommt zu einem überraschenden Finale. Das beinahe Schönste: Das Ende ist alles andere als versöhnlich.
Dies ist erst der Anfang, die zwei nächsten Bücher haben uns, wenn möglich, noch besser gefallen. Wir beneiden Euch, die ihr vielleicht noch völlig unwissend in den schrägen, witzigen und widerborstigen Kosmos der Schwestern eintauchen könnt. Viel Vergnügen!
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